- Medizinnobelpreis 1907: Charles Louis Alphonse Laveran
- Medizinnobelpreis 1907: Charles Louis Alphonse Laveran»In Anerkennung seiner Arbeiten über die Bedeutung der Protozoen als Krankheitserreger« wurde dem französischen Immunologen der Nobelpreis verliehen.Charles Louis Alphonse Laveran, * Paris 18. 6. 1845, ✝ Paris 28. 5. 1922; 1863 Aufnahme ins französische Militärcorps und Studium der Medizin an der Hochschule für öffentliche Gesundheitspflege in Straßburg, 1867 Promotion, 1874 Ernennung zum Professor für Krankheiten und Epidemien am École de Val-de-Grâce, 1878-83 als Militärarzt in Algerien, 1895 Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften.Würdigung der preisgekrönten LeistungCharles Laveran wurde 1845 als Sohn des Militärarztes Louis Théodore Laveran und der Guénard de la Tour in Paris geboren. Der Umstand, dass seine Eltern aus Offiziersfamilien stammten, vor allem aber das Berufsbild des Vaters, der als Professor an der Pariser École de Val-de-Grâce tätig war und als Begründer der französischen Militärepidemiologie gilt, hat den Sohn wohl früh angeregt, ebenfalls Militärarzt zu werden.Nach der Schulzeit am Pariser Collège Saint-Baube sowie am Lycée Louis-le-Grand wurde Laveran 1863 ins französische Sanitätskorps aufgenommen und studierte an der Hochschule für öffentliche Gesundheitspflege Medizin in Straßburg; dort arbeitete er auch 1866/67 als Assistent am Bürgerspital und promovierte 1867 nach erfolgreich abgelegtem Doktorexamen mit einer Dissertation über die Regeneration der Nerven. Während des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870 diente Laveran als Assistenzarzt im Rang eines Majors in Metz und nahm an den Schlachten bei Gravelotte und Saint-Privat teil.Nach dem Fall der Garnisonsstadt Metz und der deutschen gewaltsamen Aneignung von Elsass-Lothringen siedelte Laveran nach Frankreich über und war zunächst am städtischen Krankenhaus in Lille, später am Hôpital Saint Martin in Paris ärztlich tätig. Einen ersten Höhepunkt seiner Karriere erreichte der junge Militärarzt 1874 mit der Ernennung zum Professor für »Krankheiten und Epidemien des Heeres« an der École de Val-de-Grâce. Bereits vier Jahre später wurde Laveran ins Departement Algerien abkommandiert, wo er zunächst am Hospital in Bône, danach in Biskra und schließlich in Constantine ärztlich tätig war.In Algerien sollte Laveran schließlich seine bahnbrechenden Malariastudien durchführen, die ihm später den Nobelpreis einbringen würden.Dort begann Laveran sich bald nach seiner Ankunft für das so genannte Sumpffieber zu interessieren, das immer wieder für mysteriöse Todesfälle unter den am Ort stationierten französischen Soldaten sorgte und dessen Ursache völlig unbekannt war. Laveran obduzierte kurz zuvor verstorbene Opfer der Malaria und untersuchte auch das Blut seiner Sumpffieberpatienten, die an einer merkwürdigen »Melanämie« litten. Dieses Krankheitsbild äußerte sich durch kleinkörnige schwarze Pigmente in der Leber und den Hirngefäßen der Verstorbenen und in stark mit Pigmenten beladenen Leukozyten (weiße Blutkörperchen) der am Fieber Erkrankten.Eine bahnbrechende EntdeckungAm 6. November 1880 stieß Laveran bei seinen mikroskopischen Blutuntersuchungen erstmals auf zylindrische, pigmentierte Körperchen, die sich wie Amöben bewegten und sogar bewegliche Geißeln (Filamente) aufwiesen, mit denen sie sich zwischen den Blutkörperchen fortbewegen konnten. Nun lag die Vermutung nahe, dass es sich hier um Parasiten handeln könnte, die für die Verursachung der Malaria verantwortlich waren. Dieser Verdacht erhärtete sich, als Laveran diese Parasiten regelmäßig im Blut von Malariakranken nachweisen konnte. Zu diesem Zweck war er 1882 nach Rom gereist, um im Blut von Sumpffieberpatienten der römischen Campagna die gleichen Parasiten zu suchen. Seine Studien, die er vor allem am Hospitale di Santo Spirito durchführte, brachten schließlich die Gewissheit, dass der Erreger der Malaria (Plasmodium malariae) entdeckt war.Nach seinem Entdecker wurde der Erreger zunächst Laverania malariae beziehungsweise Laveran'scher Körper genannt. Camillo Golgi (Nobelpreis 1906) nannte ihn Haemamoeba malariae und differenzierte erst Jahre später zwischen den Erregertypen Plasmodium vivax, Plasmodium malariae und Plasmodium falciparum. Zunächst wurde die Entdeckung Laverans von seinen tropenmedizinischen Kollegen allerdings außerordentlich skeptisch aufgenommen. Ronald Ross (Nobelpreis 1902), der in Indien verzweifelt nach Malariaerregern gesucht hatte, war zunächst nicht bereit, den Fund seines Kollegen anzuerkennen, bis er 1894 selbst die Plasmodien der Malaria identifizieren konnte. Die Pariser Akademie der Wissenschaften war jedoch schneller als die meisten konkurrierenden Tropenmediziner und bestätigte 1889 die Entdeckung Laverans. 1895 wählte ihn die Akademie zu ihrem Ehrenmitglied. Bereits ein Jahr zuvor war Laveran zum leitenden Offizier des Militärhospitals in Lille und wenig später zum Chef des Sanitätswesens beim elften Armeekorps in Nantes ernannt worden. Da ihm in diesen Funktionen allerdings weder Patienten noch ein mikrobiologisches Laboratorium zur Verfügung standen, arbeitete Laveran ab 1896 als freier Mitarbeiter am Institut Pasteur und forschte vor allem auf dem Gebiet der Schlafkrankheit (Trypanosomiasis) und der Leishmaniosen (zum Beispiel Kala-Azar).Zwischen 1897 und 1907 veröffentlichte Laveran eine Reihe wichtiger Artikel über Haematozoen, Sporozoen und Trypanosomen. In vielen eigenständigen oder kooperativen Forschungsbeiträgen widmete er sich etwa den Trypanosomen der Ratte, der Nagana- und Surra-Krankheit des Viehs in Transvaal, der Pferdetrypanosomiasis in Gambia, der Vogeltrypanosomiasis und der Schlafkrankheit der Menschen in Äquatorialafrika. Erste Forschungen wurden auch auf dem Gebiet der Trypanosomiasis-Therapie angestellt.Hohe Auszeichnung für den Begründer der ProtozoologieIm Jahr 1906 entschloss sich das Nobelpreiskomitee, Laveran für seine rastlosen Bemühungen um die Protozoenforschung mit dem Nobelpreis für Medizin auszuzeichnen. In seiner Laudatio unterstrich Professor Carl Sundberg vom königlichen Karolinska Institut, dass der Preisträger nicht nur als bedeutender Entdecker und Erforscher von Protozoenkrankheiten zu gelten habe, sondern geradezu als Begründer der medizinischen Protozoologie anzusehen sei.Nach der Preisverleihung gründete Laveran 1908 mit einer Reihe von Kollegen die Société de Pathologie exotique, die erste tropenpathologische Vereinigung Frankreichs. Als Laveran starb, umfasste sein wissenschaftliches Werk zur tropischen Protozoologie mehr als 600 Originalarbeiten und viele Buchpublikationen, darunter sein erstes Lehrbuch über Malaria (1898), das im Jahr der Nobelpreisverleihung eine Neuauflage erlebte.W. U. Eckart
Universal-Lexikon. 2012.